Kochen als Selbstverteidigung. Gutes Essen wird immer teurer, das Wissen darüber immer bescheidener. Daher muss man selbst anpacken.

Als Delikatessenhändler sage ich es frei heraus: Ich möchte Geld umverteilen. Anlass für diese politischen Wunschträume bietet sich mir in meinem Geschäft jeden Tag. Junge Menschen würden sich gerne gute Lebensmittel kaufen. Dank heimischer (Kleinst-) Produzenten kann ich von Essig und Öl, über Senf und Pesto bis hin zu Gin und dem dazugehörigen Tonic Water vieles „Made in Austria“ anbieten. Und das in einer Qualität, die den Jungen neue Geschmackswelten erschließen. Ihnen fehlt aber oft schlicht das Geld dafür. Denn diese Produkte sind teuer. Ich zitiere den Buchautor Michael Langoth in seinem Buch „Das kulinarische Manifest“: „Denn aufwendige Handarbeit ist heutzutage teuer, selbst wenn die Zutaten preiswert sind. Und so kommt es zu der absurden Situation, dass ehemalige Armengerichte zu einem Luxusgut geworden sind.“

 

AnnaMax Senf

 

Junge müssen ehrlich zu sich sein

Natürlich könnte man dieses Problem aufs Geldbörserl reduzieren. Und damit „Arm und Reich“ oder „Jung und Alt“ gegeneinander ausspielen. Doch so einfach ist es nicht. Denn als Gesellschaft haben wir es alle zu verantworten, dass die Wertschätzung für handwerkliche Lebensmittel systematisch verloren gegangen ist. Wir haben die Prioritäten woanders gesetzt. Beim Smartphone, Auto, Fernseher, Konzertbesuchen oder teuren Sportarten und Urlauben.

Die Herstellung unserer Lebensmittel ist aus dem Bildungskanon gefallen. Das muss revidiert werden. In dieser Sache hilfreich sind Kochbücher, Fachmagazine und Blogs. Faszinierend finde ich etwa die Regionsportraits des deutschen Magazins Port Culinaire. In diesen wird spannend geschildert warum sich bestimmte Gerichte und Kochtechniken durchgesetzt haben. Beispiel Graukäse: er stammt aus den von kleinen Bauern geprägten Alpentälern und kann auch aus wenig Milch hergestellt werden. Wenig Vieh heißt wenig Milch. Daher ist diese Spezialität einem Mangel geschuldet. Mehr Milch als Käse sozusagen. Erst das Flachland mit seinen großen Milchkuh-Populationen ergab die Möglichkeit Hartkäse herzustellen, da es dazu sehr viel Milch braucht.

Für uns neu ist, dass viele mit dem Land assoziierte Produkte wie Honig, Pilze oder Gemüse heute auch in der Stadt kultiviert werden. Hier helfen unsere „Macher & Schaffer“-Produzentenportraits auf Regionalis, da sie uns auf die Dächer, Keller und verborgenen Grünflächen unserer Städte mitnehmen.

 

Handgemachte Produkte von Mueslibrikett und Hut&Stiel

 

Die Freiheit in der Küche suchen

Wissen braucht Zeit. Der erste Schritt dazu, ist mit guten Zutaten selbst zu kochen. Qualität schätzen zu lernen, damit wir in die richtigen Dinge investieren. Kochen als Selbstverteidigung eben.

 

La Giadiniera

 

Fotocredits: Hermann Sussitz &  Peter Patak